Redispatch 2.0 in der Praxis – Prozesse, Marktrollen und wirtschaftliche Dimension

Von
Maxim Komina
September 30, 2025
3 Minuten

Redispatch 2.0 in der Praxis – Prozesse, Marktrollen und wirtschaftliche Dimension

Wie wird die „verlorene“ Energiemenge einer Redispatch-Maßnahme eigentlich berechnet? Die Antwort hängt vom Anlagentyp ab:

Wind- & Solaranlagen

  • Pauschal
  • Spitz (mit anlagenspezifischen Wetter- und Messdaten)
  • Spitz Light (mit Referenzanlagen oder Referenzwetterdaten, Beschaffung durch den BTR)

Nicht-fluktuierende Anlagen (z. B. KWK, Biomasse, Kohle)

  • Pauschal
  • Spitz

Während Pauschal ohne Wetterbezug rechnet, nutzen Spitz-Varianten zusätzlich Wetterdaten. Bei nicht-fluktuierenden Anlagen wird häufig der letzte gemessene Viertelstundenwert vor der Maßnahme über die Dauer der Schaltung ausgerollt. Die genauen Berechnungsformeln sind in den Beschlüssen der BNetzA BK6-20-059 geregelt.

Aufforderungsfall vs. Duldungsfall

Aufforderungsfall: Der Netzbetreiber fordert den Einsatzverantwortlichen oder Betreiber auf, die Leistung der Anlage selbst anzupassen.

Duldungsfall: Der Netzbetreiber greift direkt über Fernwirktechnik ein – der Betreiber muss den Eingriff „dulden“.

Gerade bei erneuerbaren Anlagen ist der Duldungsfall die häufigere Realität. Die Unterscheidung ist wichtig, weil sie Kommunikationsprozesse und Pflichten beeinflusst.

Neue Marktrollen & Kommunikations-
prozesse

Damit der Austausch zwischen hunderten Netzbetreibern und tausenden Anlagenbetreibern funktioniert, wurden neue Marktrollen geschaffen:

  • Einsatzverantwortlicher (EIV): plant und steuert Anlagen
  • Betreiber einer technischen Ressource (BTR): Nachberechnung und Abstimmung der Ausfallarbeit mit dem Netzbetreiber
  • Data Provider (DP/RAIDA):  zentrale Kommunikationsplatzform für Netzbetreiber und EIV

Die Prozesse – von Stammdaten und Planwerten über Nichtbeanspruchbarkeiten bis hin zum Abruf – sind standardisiert und auf Massenprozesse ausgelegt. Nur so lässt sich die Komplexität effizient bewältigen.

Die BDEW-
Übergangslösung

Eigentlich war vorgesehen, dass der bilanzielle Ausgleich über den Day-Ahead-Markt erfolgt – mit energiemengenbasierter Abwicklung und einem neuen MaBiS-Kapitel 17 für die EDIFACT-Kommunikation.
Doch zum Start 2021 zeigte sich: Die Umsetzungsfrist war extrem kurz, Software fehlte, Prozesse waren lückenhaft.

Die Lösung: eine BDEW-Übergangslösung. Statt energetisch auszugleichen, wird seitdem überwiegend finanziell ex-post kompensiert. Schritt für Schritt wird die Prozesskette weiterentwickelt und das ursprünglich geplante Modell in Richtung Produktivreife gebracht.

Wirtschaftliche Dimension: Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe

Redispatch ist nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch relevant. Laut einer aktuellen Prognose der Übertragungsnetzbetreiber belaufen sich die Redispatch-Kosten in der kommenden Saison auf rund vier Milliarden Euro – knapp eine Milliarde Euro weniger als ursprünglich erwartet (ZfK.de).

Das ist wichtig, weil diese Kosten über die Netzentgelte letztlich auch die Verbraucher betreffen. Die Korrektur nach unten zeigt, dass sich die Prozesse stabilisieren – gleichzeitig bleibt Redispatch einer der größten Kostenblöcke im Netzbetrieb.

Fazit – Redispatch 2.0 als Brücke zwischen Technik und Markt

Redispatch 2.0 hat das Engpassmanagement revolutioniert. Alle Anlagen ab 100 kW sind eingebunden, der bilanzielle Ausgleich schützt die Marktteilnehmer, und die neuen Prozesse setzen auf Standardisierung. Gleichzeitig zeigt der Blick auf die wirtschaftliche Seite, wie groß die finanziellen Auswirkungen sind.

👉 Im dritten Teil unserer Blogreihe wagen wir den Ausblick: Welche Perspektiven und Herausforderungen mit dem geplanten Redispatch 3.0 verbunden sind – darunter die Integration von Kleinstanlagen unter 100 kW, innovative IT‑Architekturen und die Entstehung neuer Marktmechanismen.